Primäres kongenitales Lymphödem nach Milroy bei einem männlichen Säugling und Überblick über die Literatur

Diskussion

Lymphgefäße spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des interstitiellen Flüssigkeitshaushalts. Die Entwicklung des menschlichen Lymphgefäßsystems beginnt in der sechsten bis siebten Woche des embryonalen Lebens, fast einen Monat nach der Entwicklung der ersten Blutgefäße. Angiogenese und Lymphangiogenese werden durch Wachstumsfaktoren, interzelluläre und Zell-ECM-Signalmechanismen streng reguliert. Das Schicksal der Endothelzellen wird dagegen durch eine große Anzahl verschiedener Signale bestimmt, von denen einige gleichzeitig durch zahlreiche Liganden-Tyrosinkinase-Rezeptorsysteme wie die Familien des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF), Angiopoietin, PDGF und TGF-β vermittelt werden (23).

Lymphödeme sind durch eine chronische, behindernde Schwellung der Extremitäten gekennzeichnet, die durch eine Zunahme der interstitiellen, proteinreichen Flüssigkeit verursacht wird, die in der Folge zu einem unzureichenden Lymphtransport und -abfluss führt (15, 20, 24). Die meisten Patienten mit Lymphödemen können durch eine gründliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und eine Ultraschalluntersuchung diagnostiziert werden. Zur Bestätigung der Diagnose kann eine Lymphvisualisierung angezeigt sein. Die Isotopen-Lymphszintigraphie gilt allgemein als Goldstandard für die Diagnose von Lymphödemen, da das Verfahren minimalinvasiv, einfach durchzuführen und für das Lymphendothel unschädlich ist (24, 25). Die Fluoreszenz-Mikrolymphographie ist eine praktisch atraumatische Technik, mit der das oberflächliche Hautnetz der initialen Lymphgefäße durch die intakte Haut des Menschen sichtbar gemacht werden kann und mit der auch der mikrolymphatische Druck und die Geschwindigkeit gemessen werden können (26). Die direkte Lymphographie ist unerlässlich, um mehr anatomische Details zu erhalten (24). Die CT-Bildgebung hat sich als hochempfindlich (97 %) und spezifisch (100 %) erwiesen. Die MRT ist zwar teurer, bietet aber eine detailliertere Darstellung der lymphatischen Architektur und ist mit keiner Strahlenbelastung verbunden.

Es gibt zwei Hauptkategorien von Lymphödemen: primäre (idiopathische) und sekundäre (erworbene) Lymphödeme, wobei letztere eine bekannte pathogene Veränderung aufweisen (20). Beim primären Lymphödem, das entweder isoliert oder in Verbindung mit anderen klinischen Problemen sowie als Teil eines definierten Syndroms auftreten kann, können die Lymphgefäße entweder hypoplastisch oder hyperplastisch sein, sind aber nicht funktionsfähig. Bei allen Arten von Lymphödemen kommt es zu einer abnormen Ansammlung von interstitieller, proteinreicher Flüssigkeit, die durch eine angeborene Fehlbildung (primäres Lymphödem) oder als Folge einer lymphatischen Obstruktion oder Unterbrechung (sekundäres Lymphödem) der Lymphgefäße verursacht wird (22-24). Da unser Patient ein kongenitales Lymphödem hatte, wurde ein primäres Lymphödem diagnostiziert.

Bei unserem Patienten wurde eine c.3109G>C-Mutation im Exon 23 des FLT4-Gens identifiziert. Dabei handelt es sich um eine bekannte Mutation, bei der an der Aminosäureposition 1037 des resultierenden Proteins eine Asparaginsäure durch ein Histidin ersetzt wird (p.D1037H), das sich in der TK-Domäne II des Rezeptors befindet. Diese Mutation wurde auch in einer anderen Familie beschrieben (18), und eine Familie mit einer anderen Substitution der gleichen Aminosäure wurde ebenfalls beschrieben (18).

Beide Eltern unseres Probanden waren phänotypisch normal und hatten kein Lymphödem. Dennoch war die c.3109G>C-Mutation auch beim Vater des Probanden vorhanden. Eine unvollständige Penetranz oder eine frühe Auflösung des Ödems im ersten Lebensjahr, die zu scheinbar asymptomatischen Patienten führt, wurde bereits früher beschrieben (8, 9).

Zusammenfassend berichten wir hier über die Identifizierung einer c.3109G>C-Mutation im Exon 23 des FLT4-Gens bei einem Patienten mit klinischer Diagnose der Milroy-Krankheit und seinem asymptomatischen Vater. Dabei handelt es sich um eine bekannte Mutation, bei der an der Aminosäureposition 1037 des resultierenden Proteins eine Asparaginsäure durch ein Histidin ersetzt wird (p.Asp1037His). Die Literatur liefert Daten über die genetische Grundlage, die Pathogenese, die klinische Variabilität und die langfristigen Komplikationen der Milroy-Krankheit. Eine gründliche genetische klinische Bewertung und molekulare Untersuchung trägt dazu bei, die Eltern eines betroffenen Kindes angemessen zu beraten. Die optimale Behandlung der Patienten erfordert die Zusammenarbeit von Genetikern, Neonatologen, Kinderärzten, Dermatologen und Chirurgen, die das breite Spektrum der Milroy-Krankheit kennen und beherrschen.