Papierwespe

Evolution of Individual Recognition

Polistes-Papierwespen sind eine große, kosmopolitische Gattung primitiv eusozialer Insekten, die in relativ kleinen Kolonien nisten (typischerweise weniger als 100 Individuen).20 Innerhalb der Gattung gibt es große Unterschiede im Nestgründungsverhalten. Bei einigen Arten werden die Nester von einer einzigen Königin gegründet. Bei anderen Arten werden die Nester von mehreren Königinnen gegründet. Wieder andere Arten haben flexible Nestgründungsstrategien, da Nester entweder von einer einzelnen Königin oder von einer Gruppe kooperierender Königinnen gegründet werden können.21,22 Flexibel nistende Arten bilden lineare Dominanzhierarchien unter kooperierenden Königinnen, die die Aufteilung von Fortpflanzung und Arbeit bestimmen.20,22 Da der Rang ein wichtiger Faktor für die Fitness ist, liefern sich Gründerinnen intensive Kämpfe mit vielen Rivalinnen, bevor sie sich niederlassen, um ein Nest zu gründen.21 Nachdem die Nester gegründet wurden, nimmt die Aggression ab und das Dominanzverhalten wird ritualisierter. Polistes sind primitiv eusoziale Insekten, denen es an diskreten Kasten fehlt, so dass die Arbeiterinnen potenziell fortpflanzungsfähig sind. Sobald Arbeiterinnen auftauchen, werden sie in die Dominanzhierarchie der Kolonie integriert.23

Viele Hinweise deuten darauf hin, dass sich bei den Papierwespen die individuelle Erkennung entwickelt hat, um Dominanzinteraktionen zwischen den Nestgründerinnen zu vermitteln. Erstens zeigen experimentelle Arbeiten, dass die individuelle Anerkennung soziale Vorteile bringt, indem sie Aggressionen reduziert und die sozialen Interaktionen zwischen P. fuscatus-Gründerinnen stabilisiert. Gründerinnen, die experimentell manipuliert wurden, um die individuelle Erkennung zu verhindern, erhalten mehr Aggressionen von Artgenossen und haben Schwierigkeiten, stabile Dominanzhierarchien zu etablieren.24 Zweitens erhöht die Veränderung der Gesichtsmuster von Gründerinnen in wilden Nestern, um bekannte Individuen unkenntlich zu machen, die Aggression und stört die Stabilität der Kolonie.13

Eine vergleichende Analyse der Evolution der individuellen Erkennung deutet auch darauf hin, dass die individuelle Erkennung besonders vorteilhaft bei Arten mit linearen Dominanzhierarchien unter Nestgründerinnen ist. Die Art der variablen Gesichtsmuster, die für die individuelle Erkennung verwendet werden, hat sich wahrscheinlich mehrfach bei Polistes-Arten mit flexiblen Nestgründungsstrategien entwickelt (d.h. Nester werden von einer einzigen Königin oder mehreren Königinnen gegründet). Flexibel nistende Arten haben lineare Dominanzhierarchien und die Art der variablen Markierungen, die zur individuellen Erkennung verwendet werden. Im Gegensatz dazu weisen Arten ohne flexible Nestgründungsstrategien eine geringe Markierungsvariabilität auf und es wird angenommen, dass es keine linearen Dominanzhierarchien gibt.18 Der signifikante Zusammenhang zwischen Sozialverhalten und Markierungsvariabilität deutet darauf hin, dass sich die individuelle Erkennung entwickelt hat, weil sie bei Arten mit Dominanzhierarchien unter nistenden Königinnen von Vorteil ist. Diese vergleichende Analyse deutet auch darauf hin, dass die Interaktionen zwischen den Arbeiterinnen wahrscheinlich nicht der selektive Druck sind, der die Entwicklung der Individualerkennung vorangetrieben hat18 , da alle Polistes-Arten, mit und ohne Individualerkennung, Arbeiterinnen haben. Obwohl die individuelle Erkennung in erster Linie bei Gründerinnen selektiert zu sein scheint, ist es nicht überraschend, dass Arbeiterinnen zur individuellen Erkennung fähig sind13 , da Polistes eine primitiv eusoziale Gruppe sind, der es an präimaginalen Kasten mangelt.23 Infolgedessen haben Arbeiterinnen und Königinnen weitgehend ähnliche Phänotypen und Verhaltensweisen. Insgesamt deuten experimentelle und vergleichende Arbeiten darauf hin, dass die individuelle Erkennung soziale Vorteile für die Gründerinnen von Papierwespen bietet.

Es gibt eine Herausforderung im Zusammenhang mit der vergleichenden Analyse zur Erforschung der Evolution der individuellen Erkennung. Die individuelle Erkennung ist nicht das einzige visuelle Signalsystem bei den Polistes. Einige Polistes-Arten haben variable Gesichtsmuster, die visuelle Signale für agonistische Fähigkeiten darstellen (auch als Qualitätssignale bekannt; P. dominulus25-27 (siehe jedoch28), P. satan,29 und P. exclamans30). Neuere Arbeiten deuten darauf hin, dass die Art der Variation bei Arten mit individueller Erkennung und Qualitätssignalen signifikant unterschiedlich ist.19,31 Beide Arten der Variation wurden jedoch in die ursprüngliche vergleichende Analyse einbezogen, die die Evolution der Variation von Gesichtsmustern untersuchte.18 Diese Übersicht konzentriert sich hauptsächlich auf P. fuscatus, die Polistes-Art mit individueller Erkennung. Obwohl P. fuscatus derzeit die einzige Polistes-Art ist, bei der eine individuelle Erkennung festgestellt wurde, deuten die Muster des Sozialverhaltens und die phänotypische Variation zwischen den Arten darauf hin, dass eine individuelle Erkennung wahrscheinlich auch bei anderen Papierwespenarten zu finden ist.18

Bei Papierwespen sind sowohl Qualitäts- als auch Identitätssignale wichtig, obwohl diese beiden Signalsysteme recht unterschiedlich sind. Erstens haben die Signale unterschiedliche kognitive Anforderungen. Qualitätssignale erfordern kein Lernen und kein Gedächtnis, um effektiv zu funktionieren. Die Empfänger müssen lediglich das Qualitätssignal des Absenders mit einer Vorlage vergleichen; die Vorlage kann angeboren oder erlernt sein.32 Im Gegensatz dazu erfordert die individuelle Erkennung umfangreiche Lern- und Gedächtnisleistungen; die Empfänger müssen die einzigartigen Merkmale jedes Absenders erlernen.17 Die Variationsmuster von Qualitäts- und Identitätssignalen sind ebenfalls unterschiedlich.33,34 Qualitätssignale sind typischerweise kontinuierliche, unimodale Merkmale mit einer zustandsabhängigen Entwicklung.34,35 Identitätssignale sind viel variabler und bestehen aus mehreren Merkmalen, die unabhängig voneinander variieren.34 Außerdem sind Identitätssignale nicht bedingungsabhängig.31 Bisher deuten die empirischen Belege darauf hin, dass Papierwespen entweder Qualitäts- oder Identitätssignale haben, aber nicht beide.19

Es ist nicht klar, warum flexible Niststrategien die Entwicklung individueller Identitätssignale bei einigen Arten und Qualitätssignale bei anderen Arten begünstigen. Typischerweise werden individuelle Erkennungs- und Qualitätssignale in unterschiedlichen sozialen Kontexten verwendet.17,26 Agonistische Signale sind besonders nützlich bei Arten mit zahlreichen aggressiven Interaktionen zwischen unbekannten Artgenossen,36,37 und sie werden bei Interaktionen mit vertrauten Individuen oft ignoriert.38 Im Gegensatz dazu werden Identitätssignale in stabilen sozialen Gruppen verwendet und sind bei Interaktionen mit unbekannten Rivalen nutzlos.17 Beide sozialen Kontexte treten bei Polistes-Wespen mit flexiblen Niststrategien auf. In den ersten Wochen des Nistzyklus konkurrieren die Gründerinnen mit zahlreichen unbekannten Gründerinnen. Gleichzeitig bilden Gründerinnen stabile kooperative Gruppen, in denen die individuelle Anerkennung wahrscheinlich nützlicher ist als agonistische Signale.

Eine umfassendere vergleichende Analyse wird wichtig sein, um festzustellen, warum einige Arten agonistische Qualitätssignale entwickelt haben, während andere Arten Identitätssignale entwickelt haben. Ein interessanter Gedanke ist, dass reproduktive Transaktionen der entscheidende Selektionsdruck sein könnten, der die individuelle Anerkennung begünstigt. Die transaktionale Skew-Theorie untersucht die Regeln, die zur Aufteilung der Fortpflanzung in sozialen Gruppen verwendet werden.39 Aspekte der Skew-Theorie sind umstritten,40 aber es gibt gute experimentelle Belege dafür, dass P. fuscatus komplexe transaktionsbasierte Entscheidungsregeln zur Aufteilung der Fortpflanzung verwendet. Die genaue Aufteilung der Fortpflanzung bei P. fuscatus hängt von Faktoren wie dem Rang der Dominanz, der Verwandtschaft, unabhängigen Fortpflanzungsmöglichkeiten und dem Beitrag zur Nestproduktivität ab.39 Möglicherweise sind Fortpflanzungstransaktionen an der Evolution der individuellen Anerkennung bei P. fuscatus beteiligt. Möglicherweise ist die Signalentwicklung aber auch nicht deterministisch. Stattdessen können historische Zufälligkeiten beeinflussen, welche Kommunikationssysteme sich in welcher Abstammung entwickeln.19