‚Die weißen Blutkörperchen fressen immer die roten‘: Wie Jamaikaner mit Sichelzellenanämie ihre Krankheit verstehen

Zielsetzung: Erforschung des laienhaften Verständnisses der Sichelzellkrankheit (SCD) unter Jamaikanern, die mit dieser Krankheit leben. In Jamaika, wo die Sichelzellenkrankheit die häufigste genetische Störung ist, gibt es keine qualitative Forschung zu diesem Thema.

Aufbau: Dreißig halbstrukturierte Tiefeninterviews (50 % Männer, 50 % Stadtbewohner) wurden mit erwachsenen Patienten geführt, die die Sichelzellenklinik in Jamaika besuchen. Die transkribierten Daten wurden mittels thematischer Analyse ausgewertet.

Ergebnisse: Die Erzählungen der Patienten konzentrierten sich auf zwei Hauptthemen: das laienhafte Verständnis der Funktionsweise der Sichelzellenanämie (unter Verwendung der Begriffe „Angriff“ und „Stärkung“ sowie „Blockade“ und „Fluss“) und die Ursachen der Krankheit (laienhafte Vorstellungen von Vererbung). Die häufigste Beschreibung von SCD lautete, dass die weißen Blutkörperchen die roten Blutkörperchen „auffressen/aussaugen“. Die Behandlung erfordere daher einen „Aufbau“ des Blutes, während der Schlüssel zu einer guten Gesundheit die Gewährleistung eines ungehinderten Blutflusses sei. Die meisten Teilnehmer glaubten, dass SCD vererbbar sei, doch gab es unterschiedliche Auffassungen über den Mechanismus und die Wahrscheinlichkeit der Übertragung. Der Glaube an die Möglichkeit der Übertragung von SCD war nicht immer ein Hindernis für die Fortpflanzung, und die Teilnehmer bestanden auch nicht immer darauf, dass ihr Partner oder ihr Kind getestet wurde.

Schlussfolgerungen: Die Teilnehmer praktizierten einen medizinischen Pluralismus, eine dynamische Kombination aus volkstümlichen und biomedizinischen Überzeugungen. Ihre Sorgen, Erfahrungen und Interpretationen waren starke Motivatoren für das Reproduktions- und Vorsorgeverhalten. Ihre Erzählungen über SCD gehen über das Individuum hinaus und sind Ausdruck sozialer, gesellschaftlicher und kultureller Realitäten. Angehörige der Gesundheitsberufe und politische Entscheidungsträger sollten klar kommunizieren, um Verständnis zu gewährleisten, und den soziokulturellen Kontext ihrer Patienten anerkennen und sich darauf einlassen.