Die Familie wird von den meisten Filipinos als Grundlage des sozialen Lebens angesehen. Die Kernfamilie ist die zentrale Familieneinheit, doch sind die Bande zwischen den Mitgliedern der Großfamilie oft eng geknüpft. Man kann sogar dazu ermutigt werden, eine ebenso enge Beziehung zu seinen Tanten und Onkeln zu haben wie zu seinen Eltern. Enge familiäre Beziehungen gehen oft über die genetischen Verbindungen oder die Blutsverwandtschaft hinaus und schließen auch entfernte Verwandte, nahe Nachbarn oder Freunde ein. So ist es zum Beispiel üblich, entfernte Verwandte oder Nichtverwandte mit familiären Begriffen wie „tita“ (Tante), „tito“ (Onkel), „lola“ (Großmutter) und „lolo“ (Großvater) anzusprechen. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein Enkelkind den Freund oder Cousin seiner Großeltern als „lola“ oder „lolo“ bezeichnet.
Familienfrömmigkeit
Familienfrömmigkeit ist ein wichtiges Konzept in der philippinischen Kultur. Sie wird als wesentlich angesehen, um das kollektive Gesicht der Familie zu bewahren und Hiya zu vermeiden (siehe Soziale Interaktionen und Hiya in „Kernkonzepte“). Viele Filipinos sind der Meinung, dass jedes Familienmitglied verschiedene Pflichten und Verantwortlichkeiten hat, die es zu erfüllen hat. Die Einhaltung der eigenen Pflichten und Verantwortlichkeiten ist wichtig, um andere richtig zu respektieren und die Harmonie zwischen den Familienmitgliedern zu gewährleisten. So sind die Familienmitglieder beispielsweise verpflichtet, den Älteren jederzeit Respekt zu erweisen. Die Meinung der jüngeren Familienmitglieder und der Kinder wird als zweitrangig gegenüber der Meinung des Vorgesetzten betrachtet. Außerdem werden Pflegebedürftige im Alter fast immer von ihren Kindern oder Enkelkindern gepflegt.
Haushaltsstruktur und transnationale Familien
In einem philippinischen Haushalt leben häufig drei Generationen zusammen. Oft spielen die Großeltern eine große Rolle bei der Erziehung ihrer Enkelkinder. Die Großfamilie lebt oft relativ nahe beieinander und kommt bei großen Festen zusammen. Auf den Philippinen ist es üblich, dass einige Familienmitglieder an den Wochenenden in ihr Elternhaus zurückkehren, nachdem sie eine Woche lang in größeren Städten gearbeitet oder studiert haben.
Seit den 1970er Jahren exportieren die Philippinen Arbeitskräfte ins Ausland, wobei einige Mitglieder im Ausland einer bezahlten Arbeit nachgehen, während viele in ihrer Heimatstadt oder ihrem Dorf bleiben. Dies bedeutet, dass viele philippinische Familien über die ganze Welt verstreut sind. Die philippinische Gesellschaft hat sich weitgehend an den Wandel der Familienstruktur angepasst. Einige Eltern lassen ihre Kinder auf den Philippinen zurück, um im Ausland Arbeit zu suchen, damit sie ihre zurückgelassene Familie besser unterstützen können. Im Gegenzug schicken sie Geldüberweisungen an ihre Eltern oder Geschwister zurück, die sich um das Kind kümmern sollen. Es ist auch üblich, dass Tanten, Onkel und Paten sich um ihre Nichten, Neffen oder Patenkinder kümmern, indem sie Überweisungen in die Philippinen schicken, um deren Ausbildung zu finanzieren.
Wer im Ausland lebt und seine Familie zurücklässt, versucht, seine Familie einmal im Jahr zu sehen, indem er während seiner Arbeitspause in einem anderen Land in die Philippinen zurückkehrt. Dies kann für diejenigen, die Kinder oder ältere Eltern auf den Philippinen haben, besonders schwierig sein. Um ihre Familien auf den Philippinen zu unterstützen, schicken Filipinos im Ausland eine „Balikbayan-Box“, die verschiedene Dinge wie Kleidung, Haushaltsgegenstände und Geschenke für ihre Familie enthält. Im australischen Kontext kann es für einige Filipinos in interkulturellen Ehen emotional sehr belastend sein, wenn ihnen die Möglichkeit verwehrt wird, Geldsendungen nach Hause zu schicken, oder wenn sie ihre Familie nicht besuchen können, da sie das Gefühl haben, dass sie ihre Pflicht gegenüber ihrer Familie nicht erfüllen.
Geschlechterrollen
Zum Teil wird die philippinische Gesellschaft als patriarchalisch bezeichnet. Dies ist zum Teil auf die Macho-Attitüde und die maskulinen Normen vieler philippinischer Männer zurückzuführen. Die Philippinen sind jedoch eher eine matriarchalische Gesellschaft. Der weibliche Einfluss ist im ganzen Land groß, und viele Frauen bekleiden leitende Positionen in der Wirtschaft und in der Regierung. In der Haushaltsstruktur hat oft eine Matriarchin das Sagen. Im Allgemeinen ist das Haushaltsoberhaupt die älteste Frau, oft die Großmutter (lola). Die Einkünfte der Familienmitglieder werden oft zusammengelegt, und die Matriarchin kümmert sich dann um die Familienfinanzen.
Dating und Heirat
Auf den Philippinen erfolgt das Dating oft in mehreren Phasen, beginnend mit dem Werben. Normalerweise versucht ein Mann, eine Frau zu beeindrucken, indem er um sie wirbt. Wenn die Frau den Mann für einen guten Bewerber hält, gehen sie weiter miteinander aus. Der Einzelne hat bei der Wahl des Ehepartners ein hohes Maß an Freiheit, auch wenn die Wahl des Ehepartners von den Vorlieben der Familie beeinflusst werden kann. In einigen Familien wird erwartet, dass der künftige Partner die Zustimmung der potenziellen Schwiegereltern erhält. In städtischen Gebieten sind die Verabredungs- und Heiratspraktiken jedoch weniger konservativ und werden zunehmend vom Westen beeinflusst.
Erwartungen und Praktiken der Ehe sind stark von der katholischen Kirche geprägt. Die Ehe wird als Meilenstein verstanden und es wird erwartet, dass der Einzelne eines Tages einen geeigneten Partner heiratet. Unverheiratete Kinder zu haben, ist in der philippinischen Gesellschaft generell verpönt. Daher heiraten viele Paare vor der Geburt ihres Kindes, um soziale Konsequenzen zu vermeiden. Monogamie ist die Norm, und Scheidung ist sowohl gesellschaftlich stigmatisiert als auch illegal. Die Ansichten über die Ehe ändern sich jedoch. So wird zum Beispiel die Entscheidung einer Person, alleinstehend zu bleiben, wenn sie dies wünscht, inzwischen stärker akzeptiert.